Hast du vor kurzer Zeit die Diagnose ME/CFS bekommen und weißt im Moment nicht weiter? Genau für dich habe ich diesen Blogbeitrag geschrieben! Denn wie so oft wird man von den Ärzten dann erst mal alleine gelassen oder erhält Ratschläge wie:
- Ruhen Sie sich mehr aus (was ok wäre).
- Schlafen Sie mehr (auch eine gute Idee).
- Machen Sie mehr Sport, seien Sie aktiv (pauschal keine gute Idee!).
Deshalb möchte ich dir mit diesem Blogbeitrag eine kleine Starthilfe geben mit vielen Tipps, Buchvorschlägen und nützlichen Links. Aber erst mal ganz kurz zu mir, damit du weißt, wer dir hier schreibt.
Wer bin ich?
Ich bin Julia, knapp 50 Jahre alt, verheiratet und Mutter eines Teenagers. Ich bin halbtags Social Media Managerin bei einem Versandhandel, gebe nebenher Bücher heraus und habe eine Ausbildung zum Food Coach und psychologischen Berater gemacht. Leider kann ich die beiden Ausbildungen aber wegen meiner Gesundheit nicht als Beruf ausüben.
Die Diagnose ME/CFS habe ich im Herbst 2022 bekommen. Meinen Weg dorthin kannst du in diesem Blogbeitrag lesen. Ausgebrochen ist bei mir das ME/CFS wahrscheinlich schon vor 15 Jahren, denn seitdem habe ich immer wieder Erschöpfungen bis zum Burn-out gehabt. Aus heutiger Sicht war das damals jedoch gar kein richtiger Burn-out, sondern eher eine Verschlechterung des ME/CFS. In der Zeit habe ich noch andere Diagnosen wie Zöliakie und Endometriose bekommen, Asthma und Hashimoto sowie Allergien habe ich eh schon sehr viel länger.
Wie geht es mir heute – Stand Juni 2023
Mir geht es zum Glück viel besser, zum einen, weil ich durch das Pacen, also dem Energiemanagement, schon sehr viel erreicht habe – dazu unten mehr. Zum anderen habe ich im Februar 2023 wegen einer Corona-Infektion das Medikament Paxlovid erhalten, wodurch sich das ME/CFS quasi als Nebenwirkung stark verbessert hat – einen Blogbeitrag dazu schreibe ich im Moment noch. Nur so viel: Es laufen Studien zu Paxlovid und es gibt Berichte, dass es helfen kann – aber nicht bei jedem tut.
Die Diagnose ME/CFS
Du hast wahrscheinlich wie ich viele Untersuchungen hinter dich bringen müssen, bis dein Arzt dir die Diagnose ME/CFS gestellt hat. Aber immerhin hast du die Diagnose und kannst von hier aus weitermachen.
Als Allererstes: keine Panik und tief durchatmen. Ja, es gibt noch keine Medikamente oder Therapien und ja, du fühlst dich wahrscheinlich erst mal alleine gelassen von der Medizin.
Aber: Du kannst sehr viel alleine für dich und deine Gesundheit tun. Das wichtigste ist, deine Gesundheit jetzt an die erste Stelle zu setzen. Und du bist auch nicht alleine. Die Diagnose wird vor allem durch Long Covid immer häufiger gestellt und verschiedene Patientenorganisationen und auch einzelne Ärzte, allen voran Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, kämpfen für uns Betroffene.
Nicht die Hoffnung aufgeben!
Ich hatte das Glück, dass ich als erstes Buch „Finding Freedom“ von Realen Agle gelesen habe. Sie war schwerst betroffen und hat sich zurück ins Leben gekämpft. Da wurde mir klar, dass ME/CFS nicht bedeutet, dass es nur noch bergab geht und es keine Hoffnung gibt. Leider ist ihr Buch nur auf Englisch verfügbar, es ist aber sehr gut verständlich geschrieben:
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Auch ihr YouTube-Kanal ist immer wieder eine Inspiration für mich! https://www.youtube.com/@RaelanAgle
Falls dein Englisch nicht so gut ist, kann ich auch das Buch „Das Monster danach: Die neue alte Volkskrankheit ME/CFS“ von Nils Winkler und Gitta Meier empfehlen, was als Einstieg sehr, sehr hilfreich ist.
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Ganz wichtig ist, sich nicht einfach ins Bett zu legen und zu hoffen, dass es irgendwann besser wird. Ausruhen ist selbstverständlich wichtig, aber man muss versuchen, wenigstens einen minimalen Aktivitätslevel zu halten, auf dem man aufbauen kann.
Nicht in die Psycho-Ecke abschieben lassen
Wenn du ab jetzt mit Ärzten zu tun hast und ihnen von der ME/CFS-Diagnose erzählst, lass dich bloß nicht in eine Psycho-Ecke schieben – das passiert nach wie vor immer noch viel zu häufig. ME/CFS ist eine multisystemische und vor allem neurologische Erkrankung nach dem bisherigen Wissensstand. Natürlich haut einen so eine Diagnose um, und je nachdem, wie schlecht es einem geht, können depressive Zustände dazu kommen. Aber es ist keine psychologische Erkrankung. Ich schleppe zu neuen Ärzten mittlerweile das ICD10-Buch mit. Darin werden international Krankheiten mit einem Code verschlüsselt, ME/CFS hat zum Beispiel den Code G93.32, der unter den neurologischen Krankheiten steht. Auch im zukünftigen ICD11 wird es weiterhin unter den neurologischen Krankheiten mit dem Code 8E49 gelistet sein. Wenn mir ein Arzt dann blöd kommt, lasse ich es ihn in dem dicken Buch nachschlagen!
Behandlungsmöglichkeiten und Therapien
Leider gibt es immer noch keine klaren Therapien und Behandlungsmöglichkeiten, obwohl ME/CFS seit 1969 im ICD10-Code steht. Hier gilt es auszuloten, was dir persönlich hilft, z. B. an Nahrungsmittelergänzungen, Stressmanagement, Beruhigungstechniken wie Meditation usw. Da kann ich dir leider keine Empfehlung aussprechen, weil es einfach sehr individuell ist.
Es gibt mittlerweile einige Online-Programme. Ich habe mit dem Vorgängermodell von Professor Stark angefangen, aber durch die Verbesserung durch das Paxlovid erst mal nicht weitergemacht. Hier findest du sein neues, modernisiertes Programm:
https://www.prof-stark-fatigue-zentrum.de/online-selbsthilfe
Ein anderes Programm, das ich angefangen hatte und das mit sehr gut gefällt, ist das des Niederländers Daniel van Loosbroek, das auf Spendenbasis läuft – es ist allerdings auf Englisch!
https://www.danielvanloosbroek.com/chronic-fatigue-alignment-recovery-program/
Auch sein YouTube-Kanal ist hoch interessant: https://www.youtube.com/channel/UCmtq1a8DHXHBOyTg-3pIf7w
Es gibt noch einige andere Programme im englischsprachigen Raum, die teilweise aber extrem teuer sind!
Zwei Punkte sind bei der Behandlung von ME/CFS absolut wichtig: Lass dich nicht von einem Arzt oder z. B. in einer Kur oder Reha zu Aktivitäten drängen. Dies kann mehr schaden als nutzen. Denn der 2. Punkt ist der in meinem Augen wichtigste Ansatz bei ME/CFS: das Pacing.
Pacing ist das A und O bei ME/CFS
Auch dazu muss ich noch einen Blogbeitrag schreiben – warum ich das noch nicht getan habe, liegt mit dem Pacing zusammen, das ich nach wie vor betreibe.
Zusammengefasst bedeutet Pacing, die eigenen Energie achtsam und sorgfältig zu managen und eine Überanstrengung zu vermeiden. Ich bin z. B. jemand, der immer gefühlte 1.000 Ideen hat und früher oft gefragt wurde, ob ich mich geklont habe bei dem, was ich alles mache. Das geht übrigens vielen Menschen mit ME/CFS so, denn wir waren immer aktiv, sei es sportlich, auf Reisen oder mit vielen Projekten.
Jetzt muss ich mir sehr genau überlegen, wie viel Energie ich habe, zu was ich ja sagen kann und was ich von vornherein ablehne. Das ist verdammt hart, gar keine Frage. Aber nur so kann man ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Erholung erreichen.
Ich habe mir sehr schnell angewöhnt, eine strikte Mittagspause von 12 bis 13 Uhr einzuhalten, mich aufs Sofa zu lümmeln und Netflix leerzuschauen. An manchen Tagen musste ich mich regelrecht dazu zwingen! Aber es hat mir geholfen und ich behalte es auch immer noch bei.
Auch achte ich darauf, nur einen Termin am Tag wahrzunehmen und nicht wie früher 2-4. Mittlerweile kenne ich meine Grenzen und kann sie an einem guten Tag ausdehnen und an einem schlechten langsamer machen. Das habe ich aber über Monate gelernt und oft genug auch zu viel Energie verbraucht.
Symptome beobachten
Ein weiterer Baustein war für mich, Symptome zu beobachten. Das habe ich während der Diagnosephase angefangen und noch einige Monate weitergeführt. Heute weiß ich zum Beispiel, dass Schmerzen in den Fingern keine Gicht sind, sondern einfach der Warnhinweis, dass es gerade zu viel wird. Wenn mir sehr schlecht wird, sollte ich mich ausruhen und schonen, da es eine Warnung meines Körpers sein könnte. Überanstrengung hat in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass ich mich übergeben musste.
Bei neuen Schmerzen prüfe ich erst mal, ob es ME/CFS oder „echt“ ist. Das ist mühsam, aber mittlerweile erkenne ich ganz gut, wann es was ist und kann dann einen beruhigenden inneren Monolog führen, wie z. B. „Danke für die Warnung, es ist alles gut, ich weiß, dass da nichts ist, also können die Schmerzen jetzt bitte wieder aufhören.“ Und das funktioniert!
Ich habe mir dafür übrigens ein Tagebuch erstellt, das bei Amazon erhältlich ist:
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Supportgruppen
Ich habe selbst einige Selbsthilfegruppen (zum Thema Zöliakie und Eltern autistischer Kinder) geleitet und denke, dass sie großartige Unterstützung bieten, wenn sie gut organisiert sind. Denn dort findet man Betroffene, denen es ähnlich geht und kann sich auf der gleichen Ebene austauschen.
Online gibt es mehrere Selbsthilfegruppen, die ich dir empfehlen möchte:
ME-CFS Portal – die private Gruppe von Betroffenen für Betroffene
https://www.facebook.com/groups/997339480676051
Das ME-CFS Portal hat auch eine Webseite und ist die größte Online-Selbsthilfegruppe im deutschsprachigen Raum, hier kann man sich kostenlos registrieren.
https://www.me-cfs.net/
GEMEINSAM STARK FÜRS PACING
https://www.facebook.com/groups/500892694750815
Weitere Anlaufstellen
Die deutsche Gesellschaft für ME/CFS ist eine der besten Anlaufstellen für uns Betroffenen, die sehr viel für uns machen. Hier kann ich eine Mitgliedschaft nur empfehlen, weil der Verein sehr, sehr viel Öffentlichkeitsarbeit und noch mehr für uns tut!
https://www.mecfs.de/
Gleiches gilt für die Lost Voices Stiftung:
https://lost-voices-stiftung.org/
Ebenso wie Fatigatio e. V.:
https://www.fatigatio.de/
Und ein sehr, sehr guter Podcast und informative Webseite bietet Fasynation von an:
https://www.fasynation.de/der-podcast-zum-chronischen-erschoepfungssyndrom-me-cfs/
Johannes ist selbst stark betroffen und leistet mit seiner Familie und Freunden eine tolle Arbeit!
Wie geht es weiter?
Du hast dich jetzt durch all diese Informationen gequält und gelesen, erst mal Applaus dafür. Wie es weitergeht, liegt an dir. Informiere dich, aber lass dich nicht verunsichern oder unterkriegen. Wenn es zu viel wird, mache eine Pause. Du wirst deinen Weg finden, aber es ist ein Marathon für Schnecken.
Ich wünsche dir alles, alles Gute und folge mir gerne auf Instagram!