ME/CFS ist keine Modediagnose und keine psychische Erkrankung

ME/CFS ist keine Modediagnose und keine psychische Erkrankung

ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome) ist in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch den Zusammenhang mit Long Covid, immer mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Doch wie so oft gehen mit der wachsenden Aufmerksamkeit auch Missverständnisse und falsche Annahmen einher, vor allem bei Laien, aber leider auch bei Ärzten. 

Viele halten ME/CFS für eine Modediagnose oder stufen sie vorschnell als psychische Erkrankung ein. Diese Fehleinschätzungen belasten Betroffene wie mich zusätzlich zu den ohnehin schon schweren Symptomen der Krankheit. In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, warum ME/CFS keine Modeerscheinung oder psychische Störung ist, sondern eine ernsthafte, oft lebensverändernde Erkrankung.

Was ist ME/CFS?

Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) ist eine schwere, lang andauernde neurologische Erkrankung, die vor allem durch extreme Erschöpfung gekennzeichnet ist, die sich auch in Ruhe nicht bessert. Das Leitsymptom ist das PEM, das „Post-Exertional Malaise“. Kurz gesagt handelt es sich dabei um eine überproportionale Verschlechterung der Symptome nach körperlicher, geistiger oder emotionaler Belastung. Diese PEM tritt oft schon nach geringer Belastung auf, kann Tage bis Wochen anhalten und sogar zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes führen. 

Brainfog bei ME/CFS

Wir Betroffenen leiden oft unter weiteren Symptomen wie Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten bzw Brainfog, Muskelschmerzen und einer Verschlechterung des Zustands nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Die genaue Ursache ist noch nicht bekannt und es gibt derzeit keine Heilung, aber die Krankheit beeinträchtigt unser tägliches Leben schon in einer leichten oder mittelschweren Form erheblich. Die Wissenschaft geht davon aus, dass bei Long Covid im Körper nahezu identische Prozesse ablaufen.

Woher kommt der Eindruck einer Modediagnose?

Vor allem durch Corona und Long Covid ist ME/CFS als Krankheit in den Medien angekommen, sogar Jan Böhermann hat in diesem großartigen Beitrag hat darüber berichtet. Ich bin seit über 10 Jahren betroffen und kann nur sagen: Endlich! Immerhin steht ME/CFS seit 1969 im ICD10-Code unter den neurologischen Erkrankungen. Bisher war sie aber sowohl in der Ärzteschaft als auch in der Öffentlichkeit sehr wenig bekannt.

Die aktuelle Berichterstattung führt natürlich dazu, dass ME/CFS als Modekrankheit wahrgenommen wird, weil es „plötzlich jeder hat“. Aber: vor Corona gab es geschätzte 300.000 Betroffene, jetzt mit Long Covid geht man von 500.000-800.000 Betroffenen aus, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich noch viel höher ist. Vor allem die Patientenverbände leisten derzeit großartige Arbeit, um die Krankheit noch bekannter zu machen.

ME/CFS ist mehr als Müdigkeit und Erschöpfung

Wenn ich von ME/CFS erzähle, höre ich immer wieder: “Ach ja, ich bin auch so erschöpft”. Natürlich will ich niemandem absprechen, dass man in der heutigen Zeit von allem, was in der Welt passiert, erschöpft sein kann. Aber ME/CFS ist mehr als nur Erschöpfung. Allein die Dauer und die Intensität sind viel stärker, als wenn man einfach nur müde ist. Es kann Tage dauern, bis man sich von einer Anstrengung erholt hat – eben wegen PEM – egal, wie gut man sich ausgeruht hat. Außerdem betrifft die Erschöpfung bei ME/CFS den ganzen Körper. Wenn ich etwas über meine Grenzen gehe, bekomme ich zum Beispiel Gelenkschmerzen, wenn ich gar nicht auf meine Grenzen achte und es maßlos übertreibe, dann muss ich mich übergeben. Übertreiben bedeutet hier nicht, dass ich einen Marathon laufe oder einen Berg besteige, sondern einfach nur drei ganz normale Tage mit Arbeit, Freunde treffen und einkaufen. 

erschöpfung bei mecfs

ME/CFS ist keine psychische Krankheit!

Neulich hatte ich eine interessante Diskussion auf Threads, wo ein Herr behauptete, dass 80% der Menschen mit ME/CFS eigentlich „nur“ psychisch krank seien. Zu diesem Schluss kam er aufgrund von 20 Instagram-Accounts von jungen Frauen, die er gesehen hatte. Diese Zahlen sind natürlich völlig aus der Luft gegriffen und er konnte sie auch nicht wissenschhtlich oder statistisch begründen. Kein Wunder!

Leider wird ME/CFS auch von Ärzten immer noch mit Burnout oder Depressionen verwechselt, was mir vor einigen Jahren auch passiert ist. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: ME/CFS-Patienten wollen in der Regel mehr, als sie leisten können. Und wenn wir es mit den Aktivitäten übertreiben, enden wir mit einem schweren PEM in einem Crash, d.h. wir brechen zusammen und brauchen je nach Schweregrad Tage, Wochen oder sogar Monate, um uns zu erholen. Oder es kommt zu der bereits erwähnten Verschlechterung der Erkrankung. 

Gesellschaftliche Skepsis gegenüber schwer messbaren Symptomen

Ein großes Problem, mit dem viele Menschen mit ME/CFS konfrontiert sind, ist die Unsichtbarkeit ihrer Krankheit. Anders als ein gebrochenes Bein oder Fieber sind die Symptome von ME/CFS schwer zu messen oder sichtbar zu machen. In einer Welt, in der alles messbar zu sein scheint, führt dies oft zu Skepsis – sowohl in der Gesellschaft als auch im Gesundheitssystem. Der Mangel an Beweisen führt oft dazu, dass Menschen mit ME/CFS als hypersensibel, psychisch krank oder hypochondrisch abgestempelt werden. Das Fehlen sichtbarer Symptome bedeutet jedoch nicht, dass die Krankheit nicht real ist. Vielmehr sind es die komplexen, noch nicht vollständig verstandenen Vorgänge in unserem Körper, die ME/CFS so schwer fassbar machen.

Die Wissenschaft steht hinter uns

ME/CFS ist nicht nur seit 1969 als neurologische Erkrankung im ICD-10 gelistet, zahlreiche Studien belegen inzwischen auch die körperlichen Auswirkungen der Erkrankung. Wissenschaftler haben bei Betroffenen Abweichungen im Immunsystem, in der Energiegewinnung der Zellen und in der Funktion des Nervensystems festgestellt. Weltweit arbeiten Forschungseinrichtungen daran, die biologischen Grundlagen von ME/CFS besser zu verstehen und wirksame Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Auch wenn es noch viel zu entdecken gibt, steht fest: ME/CFS ist eine schwere, chronische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen drastisch beeinträchtigt. Sie verdient die gleiche Anerkennung und Unterstützung wie jede andere schwere Krankheit.

bluttest me/cfs

Es ist an der Zeit, ME/CFS als das zu sehen, was es wirklich ist: eine schwere neurologische Erkrankung, die unzählige Menschen betrifft. Falsche Annahmen über Modeerscheinungen oder psychische Probleme führen nur zu weiterer Stigmatisierung und Unverständnis. Indem wir uns auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und die Stimmen von uns Betroffenen ernst nehmen, können wir dazu beitragen, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern und die dringend benötigten Fortschritte in der Erforschung und Behandlung von ME/CFS voranzutreiben. Ich gebe zumindest die Hoffnung nicht auf, dass in nicht allzu ferner Zukunft auch ME/CFS und Long Covid als ernstzunehmende und vielleicht sogar behandelbare Krankheiten anerkannt werden. 


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